Das Fermi-Weltraumteleskop der NASA und die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia erkunden einen Blazar

H.E.S.S. - Fermi

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Ein internationales Team von Astrophysikern hat bei den ersten gemeinsamen Beobachtungen eines aktiven Galaxienkerns mit den H.E.S.S. Gammastrahlungs-Teleskopen in Namibia und mit dem satellitengestü:tzten Fermi-Gammateleskop die vom Zentrum dieser Galaxis ausgehende Strahlung über einen weiten Energiebereich vermessen und dabei überraschende Veränderungen der emittierten Strahlung beobachtet. Das Bild, das sich aus diesen erstmaligen gleichzeitigen Beobachtungen im sichtbaren, Röntgen- und Gamma-Licht ergibt, ist erheblich komplexer als erwartet und stellt die bisherigen Theorien zur Erzeugung von Strahlung in solchen Objekten in Frage.


In the heart of an active galaxy
In the heart of an active galaxy, matter falling into a supermassive black hole somehow creates jets of particles traveling near the speed of light. For active galaxies classified as blazars, one of these jets beams right toward Earth. Credit: NASA/Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab (see animation) Credit: NASA/Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab
Gamma-Strahlung: Gamma-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, wie auch sichtbares Licht oder Röntgen­strahlung, jedoch mit einer viel höheren Energie. Die Energie des sichtbaren Lichts liegt im Bereich eines Elektronvolts (1 eV), einer Energie-Einheit der Physiker. Röntgen­strahlen haben einige 100 eV bis einige zig-tausend eV. H.E.S.S. weist Gamma-Strahlen mit Energien bis zu tausend Milliarden eV nach, auch Tera-Elektronvolt (TeV) genannt. Diese sehr hoch­energetischen Gamma-Strahlen sind sehr selten: sogar im Falle starker Quellen trifft nur etwa ein Gamma-Quant pro Monat pro Quadratmeter auf unsere Erdatmosphäre.
Bei der beobachteten Galaxie handelt es sich um PKS 2155-304, ein als Blazar bezeichnetes Objekt. Wie bei vielen aktiven Galaxien schießen aus einem Blazar entgegengesetzt gerichtete Teilchenströme (Jets) mit nahezu Lichtgeschwindigkeit heraus, wenn Materie in ein zentrales supermassives schwarzes Loch fällt. Dieser Prozess ist noch nicht gut verstanden. Bei Blazaren ist einer der Jets direkt zur Erde gerichtet.

PKS 2155-304 liegt 1,5 Milliarden Lichtjahre entfernt im südlichen Sternbild Piscus Austrinus und ist normalerweise eine detektierbare, aber schwache Quelle von Gammastrahlung. Wenn es aber, wie 2006 beobachtet, zu einem gewaltigen Strahlungsausbruch kommt, dann wird der Blazar zur hellsten Quelle am Himmel im hochenergetischen Gammalicht – 50 Billionen Mal energiereicher als sichtbares Licht. Aber selbst von den allerhellsten Quellen erreicht uns höchstens ein derart energiereiches Gamma-Photon pro Quadratmeter und Monat.
Gammastrahlung wird in der Erdatmosphäre absorbiert und erzeugt sehr kurzlebige Teilchenschauer. Wenn diese ultraschnellen Teilchen durch die Erdatmosphäre fliegen, erzeugen sie schwache Blitze aus blauem Licht, genannt Tscherenkow-Strahlung. Das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia mit vier großen Teleskopen hat diese Lichtblitze von PKS 2155-304 eingefangen. Gammastrahlung mit niedrigerer Energie wurde direkt von dem Large Area Telescope (LAT) an Bord des NASA-Satelliten Fermi gemessen. "Der erfolgreiche Start von Fermi gibt uns zum ersten Mal die Möglichkeit, diese gewaltige Galaxie über möglichst viele Wellenlängen zu vermessen", sagt Werner Hofmann, Sprecher des H.E.S.S.-Teams und Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.

Ergänzend zu den Beobachtungen im gesamten Gammastrahlungs-Bereich wurde die Galaxie zeitgleich im Röntgenlicht von den Satelliten Swift and Rossi X-ray Timing Explorer (RXTE) aufgenommen. Das H.E.S.S. Automatic Telescope for Optical Monitoring registrierte zudem das sichtbare Licht.

Von 25. August bis 6. September 2008 beobachteten die Teleskope gemeinsam PKS 2155-304 in einem ruhigen, nicht flackernden Zustand. Die Ergebnisse der zwölftägigen Kampagne überraschen: In aufflackernden Phasen dieses und anderer Blazare steigt und fällt die Emission im Röntgen- und Gamma-Bereich gemeinsam. Aber im ruhigen Zustand von PKS 2155-304 ist dies nicht der Fall – und niemand weiß warum.

Noch überraschender war die Entdeckung, dass aber die Emission sichtbaren Lichts zusammen mit der hochenergetischen Gammastrahlung steigt und fällt. "Es ist, als ob man einen Gebläsebrenner beobachten würde, in dessen Flamme die höchsten und die niedrigsten Temperaturen zusammen variieren, aber nicht die mittleren Temperaturen", sagt Berrie Giebels, Astrophysiker an der École Polytechnique in Paris, der sowohl für das H.E.S.S.- als auch das Fermi LAT-Team arbeitet.

„Wir Astronomen lernen daraus, dass die verschiedenen Bestandteile der Jets in Blazaren auf komplizierte Weise zusammenwirken und so die Strahlung erzeugen, die wir beobachten“, sagt Jim Chiang vom Fermi-Team an der Stanford University in Kalifornien. „Diese Beobachtungen können erste Hinweise enthalten, die uns helfen, die Vorgänge tief im Inneren eines Blazars zu entschlüsseln.“

Die Ergebnisse werden im „The Astrophysical Journal“ veröffentlicht.

Kontakt-Adressen:

Dr. Martin Raue,

Telefon: +49-6221-516-470
E-Mail: martin.raue@mpi-hd.pg.de

Prof. Dr. Werner Hofmann
Telefon: +49-6221-516-330
E-Mail: Werner.Hofmann@mpi-hd.mpg.de

Max-Planck-Institut für Kernphysik
Saupfercheckweg 1
69117 Heidelberg, GERMANY
  Fermi LAT
Fermi LAT: 
Artist's view of the Fermi LAT satellite detector (see link)
 
  H.E.S.S. telescopes
H.E.S.S. Telescopes: The four identical telescopes of the High Energy Stereoscopic System in Namibia detect faint atmospheric flashes caused by the absorption of ultra high energy gamma-rays. Credit: H.E.S.S. 
Zu H.E.S.S.


Die Forschergruppe: Der internationalen Forschergruppe des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) gehören Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Tschechien, Polen, Armenien, Südafrika und Namibia an.

Das Experiment: Die Resultate wurden mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia (Süd-West-Afrika) erzielt. Dieses System, bestehend aus vier Teleskopen mit einem Spiegeldurchmesser von je 13 m, ist zur Zeit das empfindlichste Instrument zur Messung sehr hochenergetischer kosmischer Gamma-Strahlung. Diese Strahlung wird in der Erdatmosphäre absorbiert, wobei ein kurzlebiger Schauer aus vielen Millionen Teilchen entsteht. Die Teilchen senden hierbei sehr kurze (wenige Nanosekunden) und schwache Lichtblitze aus (sogenanntes Tscherenkow-Licht), welches von den extrem empfindlichen Kameras der H.E.S.S.-Teleskope aufgezeichnet wird. Jedes Bild entspricht einem einzelnen Gamma-Photon und aus der aufgezeichneten Lichtmenge lässt sich dessen Energie bestimmen. Durch die Kombination aller aufgezeichneten Ereignisse erhält man ein Bild des Himmels bei sehr hohen Energien.

Die H.E.S.S.-Teleskope wurden in mehreren Jahren von einem internationalen Team aus über 100 Wissenschaftlern und Technikern aufgebaut. Das Experiment wurde im September 2004 durch den Namibianischen Premierminister Theo-Ben Gurirab eingeweiht und schon die ersten Resultate stellten wichtige Entdeckungen dar, wie beispielsweise das erste astronomische Bild einer Schockwelle in einer Supernova in den höchsten Gamma-Energien.

Pläne für die Zukunft: Die an H.E.S.S. beteiligten Wissenschaftler arbeiten weiter am Ausbau und an der Verbesserung der Teleskope. Die Installation eines weiteren, riesigen zentralen Teleskops mit einem Spiegeldurchmesser von 30 m(!) hat begonnen. Das verbesserte System (H.E.S.S.-II genannt) wird noch sensitiver sein und gleichzeitig einen größeren Energiebereich der Gamma-Strahlung abdecken, so dass der Katalog der hochenergetischen Gamma-Quellen um zahlreiche Objekte erweitert werden wird.

Fotografie der H.E.S.S.-Teleskope