Ein
internationales Team von Astrophysikern hat bei den ersten
gemeinsamen Beobachtungen eines aktiven Galaxienkerns mit den
H.E.S.S. Gammastrahlungs-Teleskopen in Namibia und mit dem
satellitengestü:tzten Fermi-Gammateleskop die vom Zentrum dieser
Galaxis ausgehende Strahlung über einen weiten Energiebereich
vermessen und dabei überraschende Veränderungen der emittierten
Strahlung beobachtet. Das Bild, das sich aus diesen erstmaligen
gleichzeitigen Beobachtungen im sichtbaren, Röntgen- und Gamma-Licht
ergibt, ist erheblich komplexer als erwartet und stellt die
bisherigen Theorien zur Erzeugung von Strahlung in solchen Objekten
in Frage.
Gamma-Strahlung:
Gamma-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, wie auch
sichtbares Licht oder Röntgenstrahlung, jedoch mit einer viel höheren
Energie. Die Energie des sichtbaren Lichts liegt im Bereich eines
Elektronvolts (1 eV), einer Energie-Einheit der Physiker. Röntgenstrahlen
haben einige 100 eV bis einige zig-tausend eV. H.E.S.S. weist
Gamma-Strahlen mit Energien bis zu tausend Milliarden eV nach, auch
Tera-Elektronvolt (TeV) genannt. Diese sehr hochenergetischen Gamma-Strahlen
sind sehr selten: sogar im Falle starker Quellen trifft nur etwa ein
Gamma-Quant pro Monat pro Quadratmeter auf unsere Erdatmosphäre.
Bei
der beobachteten Galaxie handelt es sich um PKS 2155-304, ein als
Blazar bezeichnetes Objekt. Wie bei vielen aktiven Galaxien schießen
aus einem Blazar entgegengesetzt gerichtete Teilchenströme (Jets) mit
nahezu Lichtgeschwindigkeit heraus, wenn Materie in ein zentrales
supermassives schwarzes Loch fällt. Dieser Prozess ist noch nicht gut
verstanden. Bei Blazaren ist einer der Jets direkt zur Erde gerichtet.
PKS
2155-304 liegt 1,5 Milliarden Lichtjahre entfernt im südlichen
Sternbild Piscus Austrinus und ist normalerweise eine detektierbare,
aber schwache Quelle von Gammastrahlung. Wenn es aber, wie 2006
beobachtet, zu einem gewaltigen Strahlungsausbruch kommt, dann wird der
Blazar zur hellsten Quelle am Himmel im hochenergetischen Gammalicht –
50 Billionen Mal energiereicher als sichtbares Licht. Aber selbst von
den allerhellsten Quellen erreicht uns höchstens ein derart
energiereiches Gamma-Photon pro Quadratmeter und Monat.
Gammastrahlung
wird in der Erdatmosphäre absorbiert und erzeugt sehr kurzlebige
Teilchenschauer. Wenn diese ultraschnellen Teilchen durch die
Erdatmosphäre fliegen, erzeugen sie schwache Blitze aus blauem Licht,
genannt Tscherenkow-Strahlung. Das High Energy Stereoscopic System
(H.E.S.S.) in Namibia mit vier großen Teleskopen hat diese Lichtblitze
von PKS 2155-304 eingefangen. Gammastrahlung mit niedrigerer Energie
wurde direkt von dem Large Area Telescope (LAT) an Bord des
NASA-Satelliten Fermi gemessen. "Der erfolgreiche Start von Fermi gibt
uns zum ersten Mal die Möglichkeit, diese gewaltige Galaxie über
möglichst viele Wellenlängen zu vermessen", sagt Werner Hofmann,
Sprecher des H.E.S.S.-Teams und Direktor am Max-Planck-Institut für
Kernphysik in Heidelberg.
Ergänzend zu den Beobachtungen im
gesamten Gammastrahlungs-Bereich wurde die Galaxie zeitgleich im
Röntgenlicht von den Satelliten Swift and Rossi X-ray Timing Explorer
(RXTE) aufgenommen. Das H.E.S.S. Automatic Telescope for Optical
Monitoring registrierte zudem das sichtbare Licht.
Von 25.
August bis 6. September 2008 beobachteten die Teleskope gemeinsam PKS
2155-304 in einem ruhigen, nicht flackernden Zustand. Die Ergebnisse
der zwölftägigen Kampagne überraschen: In aufflackernden Phasen dieses
und anderer Blazare steigt und fällt die Emission im Röntgen- und
Gamma-Bereich gemeinsam. Aber im ruhigen Zustand von PKS 2155-304 ist
dies nicht der Fall – und niemand weiß warum.
Noch
überraschender war die Entdeckung, dass aber die Emission sichtbaren
Lichts zusammen mit der hochenergetischen Gammastrahlung steigt und
fällt. "Es ist, als ob man einen Gebläsebrenner beobachten würde, in
dessen Flamme die höchsten und die niedrigsten Temperaturen zusammen
variieren, aber nicht die mittleren Temperaturen", sagt Berrie Giebels,
Astrophysiker an der École Polytechnique in Paris, der sowohl für das
H.E.S.S.- als auch das Fermi LAT-Team arbeitet.
„Wir
Astronomen lernen daraus, dass die verschiedenen Bestandteile der Jets
in Blazaren auf komplizierte Weise zusammenwirken und so die Strahlung
erzeugen, die wir beobachten“, sagt Jim Chiang vom Fermi-Team an der
Stanford University in Kalifornien. „Diese Beobachtungen können erste
Hinweise enthalten, die uns helfen, die Vorgänge tief im Inneren eines
Blazars zu entschlüsseln.“
Die Ergebnisse werden im „The Astrophysical Journal“ veröffentlicht.
Zu H.E.S.S.
Die Forschergruppe:
Der internationalen Forschergruppe des High Energy Stereoscopic System
(H.E.S.S.) gehören Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Irland, Tschechien, Polen, Armenien, Südafrika und Namibia an.
Das Experiment:
Die Resultate wurden mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System
(H.E.S.S.) in Namibia (Süd-West-Afrika) erzielt. Dieses System, bestehend aus
vier Teleskopen mit einem Spiegeldurchmesser von je 13 m, ist zur Zeit das
empfindlichste Instrument zur Messung sehr hochenergetischer kosmischer
Gamma-Strahlung. Diese Strahlung wird in der Erdatmosphäre absorbiert, wobei
ein kurzlebiger Schauer aus vielen Millionen Teilchen entsteht. Die Teilchen
senden hierbei sehr kurze (wenige Nanosekunden) und schwache Lichtblitze aus
(sogenanntes
Tscherenkow-Licht), welches von den extrem empfindlichen Kameras
der H.E.S.S.-Teleskope aufgezeichnet wird. Jedes Bild entspricht einem
einzelnen Gamma-Photon und aus der aufgezeichneten Lichtmenge lässt sich dessen
Energie bestimmen. Durch die Kombination aller aufgezeichneten Ereignisse
erhält man ein Bild des Himmels bei sehr hohen Energien.
Die H.E.S.S.-Teleskope wurden in mehreren Jahren von einem internationalen Team
aus über 100 Wissenschaftlern und Technikern aufgebaut. Das Experiment wurde
im September 2004 durch den Namibianischen Premierminister Theo-Ben Gurirab
eingeweiht und schon die ersten Resultate stellten wichtige Entdeckungen dar,
wie beispielsweise das erste astronomische Bild einer Schockwelle in einer
Supernova in den höchsten Gamma-Energien.
Pläne für die Zukunft:
Die an H.E.S.S. beteiligten Wissenschaftler arbeiten weiter am Ausbau und an
der Verbesserung der Teleskope. Die Installation eines weiteren, riesigen
zentralen Teleskops mit einem Spiegeldurchmesser von 30 m(!) hat begonnen. Das
verbesserte System (H.E.S.S.-II genannt) wird noch sensitiver sein und
gleichzeitig einen größeren Energiebereich der Gamma-Strahlung abdecken, so
dass der Katalog der hochenergetischen Gamma-Quellen um zahlreiche Objekte
erweitert werden wird.